Die schönste Version by Ruth-Maria Thomas

Die schönste Version by Ruth-Maria Thomas

Autor:Ruth-Maria Thomas [Thomas, Ruth-Maria]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2024-07-16T00:00:00+00:00


immer noch Tag 6

Ich bitte Sie erneut darum, einen aktuellen Leistungsnachweis vorzulegen. Andernfalls kann es zu Verzögerungen Ihrer BAföG-Zahlungen kommen. Gern können Sie mich auch telefonisch kontaktieren.

Mit meinen verschwitzten Laufklamotten am Körper lasse ich mich ins Bett fallen, wische die Mail vom Amt weg, der Bildschirm wird wieder schwarz. Linh hatte mich so sorgenvoll verabschiedet, dass ich fast wütend wurde. Als wäre ich die einzige Person auf der Welt, die mal Stress mit ihrem Freund hat. Während wir joggen waren, hat dieser Freund dreimal versucht, mich anzurufen. Ich spüre meinen Widerstand bröckeln. Wie einfach es wäre zurückzurufen. Die Erleichterung in seiner Stimme zu hören, dass ich mich melde. Wir könnten einander verzeihen. Niemand müsste mich mehr besorgt ansehen, ich müsste nicht mehr versuchen, verpasste Anrufe zu ignorieren. Aber. Warum ruft er eigentlich die ganze Zeit an? Wenn ich nicht zurückrufe, bedeutet das doch offensichtlich, dass ich nicht mit ihm sprechen will. Ich starre auf die Sporthose an meinen Beinen, brülle auf, ziehe sie mir vom Körper, danach die Trainingsjacke, den BH, meinen Tanga, schleudere alles in die Zimmerecke. Ich habe keinen Bock mehr. Mir ständig neue Sachen zu kaufen, die Haare zu färben, den Ansatz rauswachsen zu lassen, mich in Laufsachen zu schmeißen und mein Leben anzupassen, mich anzupassen. Nein. Keinen Bock mehr. Ich muss mein To-do ernst nehmen: 2. Leben auf die Reihe bekommen. Nackt und voller Wut öffne ich die Mail vom BAföG-Amt, tippe eine Entschuldigung an meine Sachbearbeiterin.

Mein Handy klingelt wieder. Diesmal Christina (mama). Ich drücke sie weg. Schicke die Mail ab. Fünf Minuten später höre ich die Telefonstimme meines Vaters.

Christina, ich habe davon doch auch nichts mitbekommen!

Die Stimme meines Vaters in Verteidigungshaltung, wie immer, wenn er mit meiner Mutter spricht. Ich kann mir vorstellen, wie sie jetzt drauf ist: Hektisch wird sie in ihrer Wohnung auf und ab laufen, das Telefon ans Ohr gepresst. Es ist Montagabend, sie hasst Montage. Vielleicht ist sie schon im Nachthemd, der Dielenboden ihrer Altbauwohnung knarzt unter den festen Schritten ihrer gepflegten Füße. Sie wird meinem Vater Vorwürfe machen, wie es dazu kommen konnte, dass Yannick mir so etwas antut, wie es sein kann, dass er nicht gemerkt habe, dass Yannick so einer ist, wie ich mich, ihr Jellaspatz, sich denn auf so einen einlassen konnte? Er habe doch ganz nett gewirkt, als sie ihn gesehen hatte bei der Einweihungsfeier und dem Besuch in Berlin. Ein redegewandter, charmanter junger Mann, sicher, ein wenig impulsiv, aber doch nicht gewalttätig.

Was weiß ich denn, mein Vater klingt hilflos. Zu so was gehören doch aber immer zwei.

Ich halte den Atem an. Auf einmal ist alles sehr still in mir. Mein Handy vibriert wieder, und als ich die SMS von Yannick öffne und da steht

ich mache mir solche sorgen, bitte melde dich. y

ist da keine Wut, kein Widerstand mehr.



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